Einst riefen die Glocken zum Markte

 

Wie im CB Stadtmagazin im Februar 2009 beschrieben, riefen einst die Glocken zum Markte.

 

 

Vor knapp 80 Jahren war die damals wirtschaftlich starke Mittelstadt Cottbus führend im deutschen Marktvergleich. Die Industrie- und Handelskammer führte sorgfältig Statistik: Unter 50 deutschen Städten mit über 50.000 Einwohnern belegte das Cottbuser Marktleben 1931 souverän den Spitzenplatz. Während in München und Hannover etwa 800, in Bremen 717 und in Dessau gerade mal 650 Stände gezählt wurden, kamen in Cottbus 929 zusammen. Und das steigerte sich fünf Jahre später noch auf 1.304 (!) Stände. Die Stadt war offensiv bis weit nach Sachsen und Schlesien hinein in die Werbung gegangen und wusste um ein Alleinstellungsmerkmal: "Einzigartig als Schau der bunten Wendentrachten" stand auf den grellbunten Jahrmarkts-Plakaten - und das lockte.

 

Märkte hat es hier seit dem 12. Jahrhundert gegeben. Als "Jahrmärkte" sind sie seit 1457 beurkundet. Ihre Glanzzeiten erlebten deutsche Einkaufs- und Vergnügungsspektakel im 19. Jahrhundert, und seit 1852 liegen genaue Cottbuser Angaben vor. Erst nach dem 1. Weltkrieg etablierte sich bis in die Provinzen hinein das fest Handelsnetz mit den in Mode gekommenen Kaufhäusern. Auch in Cottbus öffneten Kaufhäuser, trotzdem verlief die Entwicklung hier anders. Die Stadt inmitten der Niederlausitz blieb Marktort für die Wenden und konnte mit hoher Dichte an Kleinerzeugern im nahen Umland punkten. Davon zehren bis heute die beliebten und am Wochenende an der Oberkirche duraus sehenswerten Wochenmärkte. 

 

Trotz ihres Charmes sind sie nur schwacher Abglanz dessen, woran sich alte Cottbuserinnen und Cottbuser mit leuchtenden Augen erinnern. Wochenmärkte verteilten sich donnerstags, später auch dienstags und sonnabends, auf dem Platz vor dem Rathaus, den Berliner Platz, den Oberkirchplatz, den Kaiser-Wilhelm-Platz (Brandenburger Platz) und die Markthalle in der Dresdener Straße. Bis in die 20er Jahre wurden sie traditionell durch die Glocken an der Oberkirche eingeläutet.

 

Weit übertroffen wurden sie aber von den legendären Jahrmärkten. Jeweils drei Tage ab Sonntag nach Ostern und vom 1. September- Sonntag an herrschte der Ausnahmezustand in Cottbus. Die Jahrmärkte waren eine unglaubliche Belebung für die Wirtschaft und den Verkehr der Region. Die Spreewaldbahn setzte regelmäßig Sonderzüge ein und die Reichsbahn verkaufte je Marktsonntag 30.000 Sonntagsrückfahrkarten. Während die Bauern aus dem Umland hier sämtliche Gebrauchsartikel bezogen, versorgten sich die Städter mit guten und preiswerten Produkten der Landwirtschaft.

 

Die Cottbuser selbst begeisterte der Rummel. Die Attraktionen der Vergnügungsbranche, von Schaubuden mit den Damen ohne Unterleib bis zur spektakulären Achterbahn, standen auf dem Schillerplatz. Margot Feld erinnert sch an "Hunde- und Katzendressuren. Die Tiere bewohnten eine Stadt, liefen, angezogen wie Kinder und Erwachsene, auf zwei Beinen und gingen mit Ranzen auf dem Rücken zur Schule"

 

Der Glanz jener Zeit versank im Schutt des Krieges, dem zunächst die Schwarzmärkte und Ende der 40er Jahre der Verkauf "freier Spitzen", also von Produkten über dem Abgabesoll, folgten. Der Markt an der Oberkirche war später gut organisiert und bot an, was im festen Handel oft fehlte. 

 

Inzwischen sind Märkte wieder beliebte Orte für den Frische-Einkauf. An der Oberkirche finden sich dienstags, donnerstags und vor allem sonnabends die wendischen, deutschen und jetzt auch die polnischen Erzeuger ein. Ein Geheimtipp für Frühaufsteher...

 

Der Artikel ist urheberrechtlich geschützt und wurde in mit freundlicher Genehmigung vom Cottbuser Stadtmagazin zur Verfügung gestellt. Nachzulesen hier: